10/28/2012

2008 Michael Part

Michael Part and Constanze Schweiger, "Ohne Titel (Batiksocken von Constanze für Michael)", 2015. Part of the exhibition "Mercuri et al." by Michael Part, 21er Haus, Vienna, 2015. Photo: Stefan Lux


Anmut hat Gelingen.

Beim Hantieren mit Abzügen und einem selbst hergestellten Entwickler steigt der Künstler in seine Badewanne. Dabei hat er die Zigarette am Beckenrand abgelegt und das Unterhemd rutscht ihm aus der Hose. Es spritzt; das Weiche kommt und formt das Feste. An den Füßen trägt er einfarbig glattgestrickte Baumwollstrümpfe, die er vorm Schlafengehen neben sein Bett legt. Am nächsten Morgen ist alles wieder trocken und seine Socken sind voller Flecken. Auf Dunkelgrau mischen sich Marmorierungen und Tupfen, die zwischen Altrosa und Lavendelblau changieren. Er stellt fest, dass Natriumdithionit in wässriger Lösung eine textilbleichende Wirkung entwickelt, die auf seinen Strümpfen Markierungen hinterlässt. Sprenkel, Schlieren, Kleckse ergeben Verzierungen, die nicht durch Zugabe sondern Wegnahme entstanden sind. Die moderne Socke entzieht sich dem Ornamentiert-Werden. Hier repräsentieren anmutige Spuren eine Geschichte zur Arbeit, die der Künstler in dem Abschnitt eines Tages verrichtet, in dem es draußen dunkel ist und andere schlafen. Verwertetes Material und Zeit, die Kapitalien des Arbeiters, sind nicht verloren gegangen. Ohne Absicht wurde die Gestaltung dem Zufall überlassen. So findet ein Ornament seinen Zusammenhang mit dem Menschen und der Weltordnung. Dem Publikum gefällt das, was der Künstler produziert hat. Die Bedingung aber, dass das Werk getragen werden soll, mag es nicht annehmen. Also steigt das Feste empor und formt das Weiche; die Batiksocken werden gerahmt. Von jetzt an kann sich der Künstler wieder auf andere Dinge konzentrieren.

10/12/2012

1289 Indigo

An einem Oktobertag 2012 finde ich im Postkasten eine Sendung von Robert: ein flaches Päckchen, in japanisches Papier gewickelt, mit einer zarten, blauweiß gedrehten Schnur zugebunden. Sauber, präzise, alltäglich und besonders, die Verpackung ist bedacht entworfen, das feine Indigodruckmuster wirkt folkloristisch und maritim. Das Geschenk bleibt ungeöffnet.

1289 wird der Farbname Indigo zum ersten Mal in der englischen Sprache festgehalten. Er bezeichnet ein tiefes Blau mit warmer Wirkung durch den farbeigenen kupferartigen Glanz. In Newtons Vorstellung von einem Regenbogen ist es der letzte erkennbare Blauton auf halber Strecke zu mittlerem Violett.
Ursprünglich aber wird der Farbstoff aus der Indigopflanze oder dem Färberwaid gewonnen und ist an sich gelblich. Blau entsteht erst dann, wenn das Gewebe aus dem Färbebad an die Luft gehoben wird. Und je öfter man den Oxidationsvorgang wiederholt, umso dichter und dunkler wird das Blau. Schwarzes Blau ist aus diesem Grund in seiner natürlichen Herstellung ausgesprochen teuer; bis zu vierzigfach ist das Gewand eines Nomadenfürsten gefärbt, was neunzigmal das tägliche Auskommen so eines l'Homme Blue (Blauen Mannes) samt Pferd wert ist.
Ein anderer Aspekt sind die Empfindungen, die die Blaunuance hervorruft. Wie der amerikanische Blues, bringt Indigo in den Klageliedern östlicher Kulturen Melancholie zum Ausdruck. In Teilen Westafrikas, Ägyptens oder Indiens ist es Ritual in Indigo-Kleidern zu trauern oder zu lieben.
Erst im 17. Jahrhundert taucht Indigo in Europa auf. Man sagt "Ausreichend blauer Himmel, um einem Holländer Hosen zu machen." Schlichte und freie Arbeitshosen. Wäsche-Bläue und die garantierte Witterungsbeständigkeit sind Umstände, die Indigo im Alltag hervorheben. Nichts ist strapazierfähiger als Navy blue, Maoblau, Postbotenblau oder die dunkelblaue Schuluniform aus Serge oder Leinen. Die Hosen der amerikanischen Besatzungsmächte sind ebenfalls mit Indigo gefärbt. In Jeans versammelt die Nachkriegsgeneration Vorstellungen vom amerikanischen Traum und vom Widerstand gegen Eltern und Establishment. Durch Abrieb der äußeren Fasern hellt die Farbe auf; durch Wärme, Feuchtigkeit und Druck dehnt sich der Stoff. Jeanstragende schreiben sich auf diesem Weg in ihr Kleidungsstück ein und veredeln es mit der Zeit. Heute trage ich ein mit kleinen, runden Bimssteinen und Bleichmittel vorgewaschenes Sweatshirt aus der Indigo Kollektion von American Apparell.

"One American writer (Peter Beagle, 1975. American Denim: A New Folk Art, New York) vividly recollects his teenage years in post-war America (...) 'It never occurred to us that all our sanding and hosing down, bleaching and grating and scalding was a form of adornment in itself, as ritualized as the cutting of tribal scars, as strict and exact as the magic of painting one's body for war or for mourning. It was just what you did with Levis. It was magic all right.'"

Found in Jenny Balfour-Paul, Indigo, British Museum Press, London, 1998