1/05/2013

1967 Yayoi Kusama

Gepriesen sind die mehrfarbig gefleckten Dinge. "Whatever is fickle, freckled (who knows how?)" Wer weiss wie.
Alle Dinge – entgegengesetzt, eigenständig, selten und seltsam – besitzen eine mehr oder weniger wechselnde Oberfläche. Bei so einer Musterung oder Textur handelt es sich um die enthüllende Qualität einer Sache und ihren Zusammenhang mit der Umgebung.

Während sich die Welt in Yayoi Kusamas Self Obliteration (1967) zu Beginn noch irritierend düster anfühlt, sich bald manisch, bald hypnotisch in Millionen kleinste Partikel auflöst, entwerfen die Muster der Louis Vuitton Kollektion (2012) einen neuen Look mit einer coolen Geschichte. Unterschiedlich grosse Punkte sind auf kontrastierenden Oberflächen – wie mit Vinyl beschichtetem Segeltuch, Seide oder transparentem Plastik – gleichmässig gestreut; sie formieren ein lebensfrohes, aufreizend spontan und flüchtig wirkendes Retro-Schick-Zierat auf Modeartikeln mit Kultstatus.




Yayoi Kusama Kusama's Self Obliteration, 1967, 24 min. (excerpt)

1/02/2013

Scrollwork

“In the words of Auguste Racinet (L’Ornement Polychrome, 1875 – 1888), the ‘irrepressible acanthus has passed through twenty-two centuries without losing one of its leaves and has covered with its branches the whole monumental world.’ Its scrolled leave has been the basis of many a scrollwork pattern. Scrollwork has appeared constantly in printed textiles from the eighteenth century on. Sometimes quite acanthus-like, and sometimes stylized into an almost abstract impression of looping vines and leaves. It combines allover coverage with graceful lightness and is usually nondirectional.”

In: Susan Meller und Joost Elffers, Textile Designs, Harry N. Abrams, Inc., New York, 1991, p. 221.

11/18/2012

1887 Hypoestes

Constanze Schweiger, Hypoestes phyllostachya Baker, 1887, 2012
Every leaf has its own character. Some look more spectacular than the flower they engender. Some make for a recognizable shape, while others follow distinct chaos. During the course of a year, they might develop diverse colors, due to their exposure to sunlight or to the turning of leaves in fall. Greenish red. Reddish blobs scattered across green faces: shocking pink, naked-like, spotted candy color, Crayola‘s Razzmatazz from 1993, electric crimson - halfway between red and rose on the color wheel. Peek-a-boo pink eyed is the Hypoestes phyllostachya Baker, 1887, commonly called Polka Dot Plant. It is an old-fashioned houseplant with a long cultivation history starting in Madagascar. Freckle Face, mainly grown for its pea green leaves with pink splotches, similar to something found in Jack Smith’s film Normal Love. The pattern does not follow the veins of the leaf, nor does it interact with the environment or protect the annual. Cultivators put a lot of labor into this invasive species to amplify its unusual, formerly less dramatic color contrast. Opinions divide on the outcome – attractive or nasty. Either way, the plant lets us know whether it‘s happy: the pink spots shrink or diminish when it is not getting enough light, and its leaves will bleach to a lighter green if it is getting too much.

10/28/2012

2008 Michael Part

Michael Part and Constanze Schweiger, "Ohne Titel (Batiksocken von Constanze für Michael)", 2015. Part of the exhibition "Mercuri et al." by Michael Part, 21er Haus, Vienna, 2015. Photo: Stefan Lux


Anmut hat Gelingen.

Beim Hantieren mit Abzügen und einem selbst hergestellten Entwickler steigt der Künstler in seine Badewanne. Dabei hat er die Zigarette am Beckenrand abgelegt und das Unterhemd rutscht ihm aus der Hose. Es spritzt; das Weiche kommt und formt das Feste. An den Füßen trägt er einfarbig glattgestrickte Baumwollstrümpfe, die er vorm Schlafengehen neben sein Bett legt. Am nächsten Morgen ist alles wieder trocken und seine Socken sind voller Flecken. Auf Dunkelgrau mischen sich Marmorierungen und Tupfen, die zwischen Altrosa und Lavendelblau changieren. Er stellt fest, dass Natriumdithionit in wässriger Lösung eine textilbleichende Wirkung entwickelt, die auf seinen Strümpfen Markierungen hinterlässt. Sprenkel, Schlieren, Kleckse ergeben Verzierungen, die nicht durch Zugabe sondern Wegnahme entstanden sind. Die moderne Socke entzieht sich dem Ornamentiert-Werden. Hier repräsentieren anmutige Spuren eine Geschichte zur Arbeit, die der Künstler in dem Abschnitt eines Tages verrichtet, in dem es draußen dunkel ist und andere schlafen. Verwertetes Material und Zeit, die Kapitalien des Arbeiters, sind nicht verloren gegangen. Ohne Absicht wurde die Gestaltung dem Zufall überlassen. So findet ein Ornament seinen Zusammenhang mit dem Menschen und der Weltordnung. Dem Publikum gefällt das, was der Künstler produziert hat. Die Bedingung aber, dass das Werk getragen werden soll, mag es nicht annehmen. Also steigt das Feste empor und formt das Weiche; die Batiksocken werden gerahmt. Von jetzt an kann sich der Künstler wieder auf andere Dinge konzentrieren.

10/12/2012

1289 Indigo

An einem Oktobertag 2012 finde ich im Postkasten eine Sendung von Robert: ein flaches Päckchen, in japanisches Papier gewickelt, mit einer zarten, blauweiß gedrehten Schnur zugebunden. Sauber, präzise, alltäglich und besonders, die Verpackung ist bedacht entworfen, das feine Indigodruckmuster wirkt folkloristisch und maritim. Das Geschenk bleibt ungeöffnet.

1289 wird der Farbname Indigo zum ersten Mal in der englischen Sprache festgehalten. Er bezeichnet ein tiefes Blau mit warmer Wirkung durch den farbeigenen kupferartigen Glanz. In Newtons Vorstellung von einem Regenbogen ist es der letzte erkennbare Blauton auf halber Strecke zu mittlerem Violett.
Ursprünglich aber wird der Farbstoff aus der Indigopflanze oder dem Färberwaid gewonnen und ist an sich gelblich. Blau entsteht erst dann, wenn das Gewebe aus dem Färbebad an die Luft gehoben wird. Und je öfter man den Oxidationsvorgang wiederholt, umso dichter und dunkler wird das Blau. Schwarzes Blau ist aus diesem Grund in seiner natürlichen Herstellung ausgesprochen teuer; bis zu vierzigfach ist das Gewand eines Nomadenfürsten gefärbt, was neunzigmal das tägliche Auskommen so eines l'Homme Blue (Blauen Mannes) samt Pferd wert ist.
Ein anderer Aspekt sind die Empfindungen, die die Blaunuance hervorruft. Wie der amerikanische Blues, bringt Indigo in den Klageliedern östlicher Kulturen Melancholie zum Ausdruck. In Teilen Westafrikas, Ägyptens oder Indiens ist es Ritual in Indigo-Kleidern zu trauern oder zu lieben.
Erst im 17. Jahrhundert taucht Indigo in Europa auf. Man sagt "Ausreichend blauer Himmel, um einem Holländer Hosen zu machen." Schlichte und freie Arbeitshosen. Wäsche-Bläue und die garantierte Witterungsbeständigkeit sind Umstände, die Indigo im Alltag hervorheben. Nichts ist strapazierfähiger als Navy blue, Maoblau, Postbotenblau oder die dunkelblaue Schuluniform aus Serge oder Leinen. Die Hosen der amerikanischen Besatzungsmächte sind ebenfalls mit Indigo gefärbt. In Jeans versammelt die Nachkriegsgeneration Vorstellungen vom amerikanischen Traum und vom Widerstand gegen Eltern und Establishment. Durch Abrieb der äußeren Fasern hellt die Farbe auf; durch Wärme, Feuchtigkeit und Druck dehnt sich der Stoff. Jeanstragende schreiben sich auf diesem Weg in ihr Kleidungsstück ein und veredeln es mit der Zeit. Heute trage ich ein mit kleinen, runden Bimssteinen und Bleichmittel vorgewaschenes Sweatshirt aus der Indigo Kollektion von American Apparell.

"One American writer (Peter Beagle, 1975. American Denim: A New Folk Art, New York) vividly recollects his teenage years in post-war America (...) 'It never occurred to us that all our sanding and hosing down, bleaching and grating and scalding was a form of adornment in itself, as ritualized as the cutting of tribal scars, as strict and exact as the magic of painting one's body for war or for mourning. It was just what you did with Levis. It was magic all right.'"

Found in Jenny Balfour-Paul, Indigo, British Museum Press, London, 1998

9/08/2012

2012 Mike Davies

In her article "He built the dome. Fortunately he didn't choose the colour" for The Guardian July 26, 1999, Hannah Baldock talks about the obsessive relationship of an architect to one color. For Mike Davies "Colour is a vehicle to exploring life." For that he chose red – drives a red Jaguar with red leather interior, writes with a red pen in red ink or places twenty two red telescopes on the roof of his house that might remind one on the structures of his architectures Centre Georges Pompidou or Millennium Dome. Also Davies dresses only in red. He started with this self-maded dress code on a stay in Paris in 1972 when he was working on Centre Georges Pompidou. When a client informed him that locally his purple suite might be read for its color as a signal of homosexuality, he went straight down a road and bought three golf trousers in red. Gradually his whole attire, from knitted ties to socks, turned red. Since then Davies finds a life in red “almost entirely positive" certainly … He became the red guy.

Mike Davies performs September 21, 2012 at Ephemeropterae˜ – a series of 16 performative events at TBA21 Augarten, Vienna

9/03/2012

Ein Bild wie ein überweites Hemd tragen

Da Mode von außen und von innen operiert, ein Kleidungsstück neben seinen schützenden und auszeichnenden Funktionen einen konstruierten Raum bildet, ist Aussehen hier nicht das einzige Kriterium. Den Kopf beispielsweise buchstäblich durch ein gemaltes Bild stecken, es wie ein überweites Hemd tragen, Flecken auf dem T-Shirt zu Mustern werden lassen, könnte man als Unternehmungen ins Größere zu übersiedeln verstehen, von der Nische in die Welt, vom Konkreten ins Abstrakte.
  Den Praktiken Mode und Kunst ist gemeinsam, die spezielle Fähigkeit soziale Beziehungen nicht nur festzuhalten, sondern auch zu begründen. Bildliche Abstraktion ist in Stoffmustern schon immer auf selbstverständliche Weise anwesend, lange bevor sie in der Kunst erfunden wurde. Genauso ist Textilgestaltern bewusst, dass Abstraktion von Natur aus unmittelbar dekorativ wirkt. Fläche (wie Leinwand) und Hülle (wie Kleidungsstück) werden durch dessinartige Motive als Assoziationsgründe aktiviert. Dort findet sich nämlich etwas, das für Malerei essenziell ist: die Verstrickung der Welten außerhalb und innerhalb eines Bildes.
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Because fashion operates from outside and from inside simultaneously, because a garment can protect you, can adorn you, mark you and provides you constructed space, therefor looks are not the only criteria here. Literally sticking ones head through a painting, wearing it like an oversized shirt, making stains become a pattern on a T-shirt, might become attempts to relocate a trivial act into a larger context; from the niche into the world, from the concrete into the abstract.
     What art and fashion have in common, is the qualification to simultaneously picture and found social relationships. Abstraction has always been around in textile patterns naturally, long before it was invented in the field of art. Surface (such as canvas) and cover (such as garment) become blank slates for associations, activated through pattern-like motifs. There we find something essential to painting: the involvement of the spheres within and beyond the screen.